- 02. Mai 2000 Nr. 82
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Abkürzung durch die Natur
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Während die Lausitzer Braunkohle AG (Laubag) von der
Konkurrenzfähigkeit des Standorts Jänschwalde ausgeht
(Lausitzer Rundschau, 14.04.2000), hat nun das Verwaltungsgericht
Cottbus den Rahmenbetriebsplan für den Tagebau Cottbus-Nord
aufgehoben (15.04.2000). Das Bergbauunternehmen hatte stets eine
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) abgelehnt, die aber
nun wegen erheblicher Eingriffe in die Natur für erforderlich
erklärt wird.
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Beim Mibrag-Tagebau "Vereinigtes Schleenhain" im Leipziger
Südraum hielt der frühere Landesumweltminister Arnold
Vaatz eine UVP ebenfalls für überflüssig. Wenn diese
aber nun in der Lausitz nachgeholt werden muss, kann man in Sachsen
trotzdem darauf verzichten?
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Die Redaktion
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Aktuelle Nachrichten
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Weniger Jobs durch Braunkohle: In einer von der Rheinbraun AG
beauftragten Studie werden ab dem Jahre 2004 11.500 Mitarbeiter (von
derzeit noch 16.000) und insgesamt über 35.000
Arbeitsplätze der rheinischen Braunkohlenindustrie zugerechnet
(Neuß-Grevenbroicher-Zeitung, 14.04.2000). Es werden die rund
4.000 Arbeitsplätze bei Unternehmen dazu gezählt, die den
Braunkohlenstrom weiterverteilen und an die Verbraucher verkaufen.
Nach Erkenntnis des Leipziger Regierungspräsidenten Walter
Christian Steinbach ist es bei der Sanierung der Tagebauflächen
im Leipziger Südraum nur "partiell" gelungen, die
zehntausend verloren gegangenen Arbeitsplätze zu ersetzen
(Freie Presse, 27.04.2000; s. Heuersdorf Aktuell Nr. 81). Einzelne
Kraftwerke oder ein Technologiezentrum seien "singulär",
die Industriedichte zu DDR-Zeiten werde "nie wieder"
erreicht.
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Unerwarteter Erfolg: Das Verwaltungsgericht Cottbus hat
völlig überraschend einer Klage der "Grüne Liga
e. V." wegen der im Tagebau Cottbus-Nord fehlenden
Umweltverträglichkeitsprüfung stattgegeben und den
Rahmenbetriebsplan des Oberbergamtes aufgehoben (Berliner
Morgenpost, 15.04.2000). Nach Aussage des Laubag-Presssprechers
Roger Kohlmann könne die Braunkohle vorerst wegen des geltenden
Hauptbetriebsplans weitergefördert werden. Als beklagte Behörde
steht es dem Oberbergamt zu, Revision einzulegen. Für Ursula
Philipp-Gerlach, Klage führende Rechtsanwältin, seien mit
dieser Entscheidung nun auch beim Kampf um Horno "die Karten
neu gemischt" (Lausitzer Rundschau, 15.04.2000).
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Auf Nimmerwiedersehen: Das ausgediente Braunkohlekraftwerk
Espenhain, einst eine Hauptursache der Luftverschmutzung im
Leipziger Südraum, wurde am 15.04.2000 gesprengt (Sächsische
Zeitung, 17.04.2000). Zu DDR-Zeiten waren hier bis zu 6.500 Menschen
beschäftigt. (Der Nachbarort Mölbis galt damals als
"dreckigstes Dorf Europas".)
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Wiederkehrende Muster: Bei einem Besuch des Tagebaus
Jänschwalde haben Kee Watchmann und Daniel Zapata, Vertreter
der vom Bergbau bedrohten Indianer des US-Bundesstaats Arizona, die
in vielen Punkten gemeinsame Problemlage zwischen den beiden
Regionen bestätigt (Lausitzer Rundschau, Ausgabe Guben,
17.04.2000). Das von der Sächsischen Staatsregierung
beauftragte "Bürgerbüro" hat in Regis-Breitingen
erstmals einen möglichen Standort für die Neuansiedlung
von Heuersdorf vorgestellt, doch ohne dass ein Heuersdorfer anwesend
war (Leipziger Volkszeitung, Ausgabe Borna, 29.04.2000). Für
Bügermeister Reinhard Mäder liegt die Entscheidung darüber
"natürlich" bei Heuersdorf. Ortsvorsteher Horst
Bruchmann kritisierte das Vorgehen des Büroleiters Richard
Reschl und begründete den Verbleib des Ortes mit den verfehlten
ökonomischen Zielen der Braunkohlenverstromung. Nach Ansicht
der umweltpolitischen Sprecherin der PDS-Landtagsfraktion Andrea
Roth entfernt sich der Leipziger Südraum "immer mehr von
den Regeln einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft"
(Pressemitteilung, 01.05.2000)
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Reiner Wein: Nach dem Urteil von Fritz Vahrenholt,
Vorstandsmitglied der Deutschen Shell AG, würde ein übereilter
Ausstieg aus der Kernenergie zum Import von Atomstrom aus Frankreich
und der Ukraine führen (Tagesspiegel, 17.04.2000). Shell
rechnet mit einem Wachstum des Marktes für Solarzellen von 15
bis 20 Prozent jährlich.
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Informationsangebot: Der Verein "Für Heuersdorf"
hat Bundeskanzler Gerhard Schröder anlässlich seines
Besuches im Kraftwerk Lippendorf am 22.06.2000 auch zu einem
Gespräch nach Heuersdorf eingeladen (Leipziger Volkszeitung,
Ausgabe Borna, 19.04.2000; s. Nachrichten). Die
Schwierigkeiten mit der Liberalisierung des Strommarktes ließen
die Beseitigung der Ortschaft noch weniger rechtfertigen als bisher.
Nach Aussage des Veag-Sprechers Albrecht von Truchseß sei die
Anreise des Bundeskanzlers eine "hohe Ehre", die ein
Signal nicht nur für den Industriestandort Lippendorf sondern
auch für die gesamte ostdeutsche Energiewirtschaft bedeute.
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Startklar: Ab Ende Mai wird der Handel an der Leipziger
Strombörse LPX eingeleitet (Der Tagesspiegel, 20.04.2000). Für
Sachsens Wirtschaftsminister Kajo Schommer sei die Börse eine
"Kampfansage gegen die höheren Strompreise im Osten".
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Schwaches Aufgebot: Der leitende Energieexperte des Deutsche
Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Hans-Joachim Ziesing,
prognostiziert: "Das Ziel, den CO2-Ausstoß
erheblich zu senken, wird Deutschland verfehlen" (taz Berlin,
15.04.2000). Daran würden die "zu schwach gestrickten
Minderungs-Programme" nichts ändern. Nach Berechnung von
Franzjosef Schafhausen, dem Leiter des bundesdeutschen
Klimaschutzprogramms, müssen nach Abzug der Ökosteuerwirkung
und regenerativer Energien immer noch 75 Millionen Tonnen
Kohlendioxid pro Jahr vermieden werden, um das deutsche
CO2-Reduktionsziel zu erreichen (Focus 17/2000).
1999 wurden 859 Millionen Tonnen CO2 (15,5
Prozent weniger als 1990) emittiert. Bei der Veranstaltung zum
Tag der Erde (Earth Day 2000) in Washington USA sprach sich
der amerikanische Filmschauspieler Leonard DiCaprio als
Konferenzvorsitzender für verstärkte Klimaschutzmaßnahmen
aus (Washington Post, 23.04.2000; s. Zitierfähiges).
US-Vize-Präsident Al Gore bezeichnete die
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kommenden 10 Jahre als "Umweltjahrzehnt" (schon
wieder?).
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Zitierfähiges
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Transparentenbotschaft an Leonard DiCaprio zum Tag der Erde
in Washington, USA, Washington Post, 23.04.2000: "Rettet die
Erde - nicht Leo's Karriere".